Was bedeutet Artenvielfalt in der Landwirtschaft? Warum fehlt sie oft und wie erreichen wir wieder vielfältige Kulturlandschaften? Über diese Fragen wurde und wird im Biotopverbund Leipzig (BVL) diskutiert und argumentiert.
Die Biodiversität bezieht sich auf die Vielfalt der Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen in einem bestimmten Ökosystem. Ist die Artenvielfalt in einer landwirtschaftlich geprägten Landschaft hoch, wird sich die Bodenfruchtbarkeit verbessern, wird die Bestäubung der Pflanzen gefördert und Krankheiten und Schädlinge werden besser kontrolliert. Auch der Anbau verschiedener Pflanzenarten und der Erhalt oder die Herstellung von natürlichen Lebensräumen ist ein wichtiger Faktor für eine gesunde und produktive Agrarwirtschaft. Damit ist Biodiversität die Grundlage für eine funktionierende und nachhaltige Landwirtschaft. Deshalb geht Biodiversität und Landwirtschaft gemeinsam einher.
Die Wichtigkeit des Themas war der Anlass für den Biotopverbund Leipzig am 20.11.23 im Gutshaus des Saat - Gut Plaußig eine Veranstaltung unter dieser Überschrift zu organisieren. Knapp 50 Besucher und Besucherinnen folgten der Einladung und erlebten einen hoch interessanten Abend.
Nach der allgemeinen Begrüßung folgte eine kurze Vorstellung des BVL mit seinen Inhalten und Zielen. Bemerkenswert, dass dieser Verbund schon fast 5 Jahre zum Wohle der Artenvielfalt agiert. Im ersten Fachvortrag stellte Dr. Matthias Nuß, Insektenforscher im Senckenberg Museum für Tierkunde in Dresden, Maßnahmen zur Förderung von Pflanzen, Wirbeltieren und Insekten in der Agrarlandschaft vor. Besorgniserregende Zahlen wurden beim Insektenrückgang genannt:

In Sachsen stehen von ca. 2000 erfassten Insekten 48 % auf der Roten Liste und 19 % sind ausgestorben. Der Rückgang der Biomasse erfolgte entsprechend der Erfassung von 1989-2016 (27 Jahre) um 75 %. Das sind wissenschaftlich belegte Zahlen. Als mögliche Ursachen werden u. a. Lebensraumverlust, Strukturveränderungen, Fragmentierung, Verlust von Nahrungsangebot, Versiegelung und Lichtverschmutzung genannt. Deshalb muss etwas getan werden, was zum Erhalt und der Vermehrung der Artenvielfalt beiträgt. Dieses kann über Schaffung von Lebensräumen, Anlegen von Blühflächen, Optimierung der Landschaftspflege, Selbstbegrünung, Mahdgutübertragung, Beweidung und Umstellung von Teilflächen auf ökologischen Landbau gefördert werden.
Im zweiten Fachvortrag stellte Prof. Dr. Felix Wäckers, Direktor der Forschung Biobest Group in Belgien und Professor der Lancaster University, das interessante Pilotprojekt „Gezielte Insektenförderung für die Landwirtschaft“ vor, an dem auch das Saat - Gut Plaußig und zehn weitere deutsche Landwirtschaftsbetriebe teilnehmen. Das Projekt basiert auf über 30 Jahre Forschungstätigkeit im Bereich Bestäubung und biologischer Schädlingsbekämpfung sowie auf Erfahrungen aus bereits erfolgreichen Praxisprojekten im Ausland (England, Niederlande, Belgien, Schweiz). Durch die Anlage von mehrjährigen Nützlingsblühstreifen wird die Zusammensetzung der Blühpflanzen so gestaltet, dass explizit nützliche Insektenarten als Gegenspieler von Schädlingen gefördert werden. Beim Anlegen der Blühstreifen wird auf Windrichtung und größtmögliche Flächenbestäubung geachtet. Durch natürliche Schädlingsregulierung können Erträge verbessert und Insektizideinsätze reduziert werden. In den Niederlanden, das Konzept wird hier schon seit 18 Jahren umgesetzt, konnte im konventionellen Getreide- und Kartoffelanbau der Schädlingsdruck so weit reguliert werden, dass der Einsatz von Insektiziden um mehr als 90 % reduziert werden konnte. Ebenso konnten Ertragssteigerungen von bis zu 11 % nachgewiesen werden. Ziel dieser Agrarumweltmaßnahme soll darstellen, dass nicht nur der Landwirt für die Umwelt arbeitet, sondern umgekehrt, er einen direkten Mehrwert von dieser bekommt. Naturschutz und produktive Landwirtschaft gehen somit Hand in Hand und tragen gemeinsam zur möglichen Erhöhung von Biodiversität bei.
Zur Abrundung der Thematik gab der Geschäftsführer und Gastgeber dieses Abends, Benedikt Biermann, einen Einblick in die praktische Umsetzung in seinem Unternehmen. Als größter Landwirtschaftsbetrieb im Norden von Leipzig steht er dem Projekt der Nützlingsblühstreifen sehr aufgeschlossen gegenüber, da das Saat - Gut Plaußig als Gründungsmitglied des Biotopverbundes schon seit Jahren innerhalb dieser Interessengemeinschaft eine zentrale Rolle spielt. Auf mehr als 60 ha werden Blühstreifen und Blühwiesen angelegt, Biotope entwickelt und Trittsteine angelegt, Hecken und Bäume gepflanzt und umgesetzt, Blühfolgen u. a. mit dem Imker abgestimmt. Mit 11 Mitarbeitern und drei Auszubildenden werden diese freiwilligen Maßnahmen neben den täglich anfallenden landwirtschaftlichen Arbeiten umgesetzt. Auszeichnungen auf Landes- und Bundesebene zeugen von der vorbildlichen Arbeit.
Die anschließende Frage- und Diskussionsrunde wurde umfangreich genutzt und es entwickelte sich ein reger Austausch von Erfahrungen und weiteren Ideen zur Förderung unserer Artenvielfalt. Der Biotopverbund Leipzig bedankt sich bei allen Beteiligten für die Durchführung der gelungenen Veranstaltung.
Der Biotopverbund Leipzig und die NABU OG Plaußig/Portitz wünscht allen Lesern und Naturfreunden ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches und gesundes Neues Jahr.
Bericht: Steffen Wagner
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